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Einmal Sonne, einmal Regen. Ruderausfahrt 2014 Ulm - Lauingen - Ulm

Wenn eine Gruppe Ulmer Ruderinnen und Ruderer erschöpft, ausgekühlt, ausgehungert, mit frischen Blasen an den Händen und Schmerzen in sämtlichen Körperregionen, aber mit einem erleichternden und zufriedenen Lächeln und einer Flasche Bier oder Radler in der Werkstatt des URCD anstößt, ja dann darf man sicher sein, dass der Anlass dazu eine Geschichte hat. An der Werkbank, die mit den Restbeständen von Käse, Brot, Hefezopf, Nüssen, Haribos, Keksen, Apfelschnitten, Tomaten und sonstigem Übriggebliebenen "gedeckt" ist, dem Duft von gesägtem Holz in der Luft, lassen die Geschichtsschreiber Olaf Behrend, Detlef Cordoni, Anita Kruzic, Jochen Obser, Markus Schariat, Frank Scherber, Hans-Jörg Stöhr, Kerstin Stöhrer und Sabine Stumpf die letzten 35 Stunden Revue passieren. Eine nicht ganz alltägliche Ruderausfahrt Ulm-Lauingen-Ulm hat einen Platz in unseren "Weißt-Du-Noch-Erinnerungsschatz" erhalten

Samstag, 30. August 2014
Und so hat unsere Donaugeschichte begonnen: Samstag, 30. August 2014, 8:30 Uhr, Ort: Bank auf dem Raimund-Hörmann-Platz des URCD, Teilnehmer: Fast komplett, Verfassung: Mehr oder weniger ausgeschlafen, hochmotiviert, Wetter: vielversprechend, Boot 1: Der weiß-gelbe Blitz: Rhein, Besatzung: 1: Frank, 2: Jochen, 3: Kerstin, 4: Sabine, 5: Olaf, Boot 2: Der Gott des fließenden Gewässers: Neptun, Besatzung: 1: Detlef, 2: Anita, 3: Hans-Jörg, 4: Markus, Ziel: ungefähr 4800 Ruderschläge flussabwärts, Höhenüberwindung: ca. 45 m, Handicap: 7 Schleusen.

Nach Recherche über den Verbleib von Bootsbesatzungsmitglied Rhein Nr. 1 und telefonischer Unterstützung bei der Auswahl und Anziehreihenfolge der Rudergarderobe und –gepäck durch Neptun Nr. 1 hievt die anwesende Bootsbesatzung zuerst die "Rhein", dann die "Neptun" auf die friedlich fließende Donau. Für die "Neptun" werden die leichten Privat-Carbon-Skulls ausgewählt und die sonst der "Neptun" zugewiesenen Skulls in der Bootshalle hängen gelassen. Pünktlich nach allen Vorbereitungen und Überprüfung der Vollständigkeit des Bootsgepäckes begrüßt uns nun auch Rhein Nr. 1. Seine Verspätung entschuldigen wir ihm, als wir die Köstlichkeiten, die uns schon aus seiner Verpflegungstasche anlachen, erahnen können.

Nun, da wir alle Mann an Bord haben, beginnt unsere beeindruckende Ruderausfahrt von Kilometer 2586,3 nach Kilometer 2543,2. Ulm erwacht allmählich. Die Herdbrücke wird von Ulmer und Neu-Ulmer Bürgern mit ihren gefüllten Samstagsmarkteinkaufstaschen passiert; am Ufer Angler, die die Ruhe des Morgens genießen; Hunde, die interessiert das Ufer beschnuppern und wir, die die noch glatte Donau ins Schwingen bringen. Schnell, unterstützt durch die durchdringende Sonne über Ulm, erreichen wir das Ende unseres bekannten Ruderreviers bei Kilometer 2581,5, die Staustufe Böfinger Halde.

Die Schleuse wird durch Frank und Jochen vorbereitet, ein erster Vorgeschmack auf das, was uns an diesem Tag noch 6 Mal erwarten wird. Vor dem Einfahren in die Schleuse winken wir noch dem dort pausierenden Vierer zu. Ca. 9 m tiefer angekommen rudern wir weiter, nun unter Begleitung von Vogelgezwitscher und quietschenden Dollen. Kilometer 2580,0 wird passiert; nun gehört die gesamte Breite der Donau dem Land Bayern. Schlag für Schlag wird kräftig, lang und im Takt unserer zwei routinierten Schlagmänner Markus und Olaf gesetzt und schon ist die nächste Staustufe Oberelchingen bei Kilometer 2575,0 in Sicht. Auch diese Staustufe müssen wir zuerst fluten, ehe wir einfahren können. Die Erklärung dafür erhalten wir ein paar Kilometer flussabwärts.

Zu dem vom Auwald geprägten Landschaftsbild des Donaurieds musiziert in der "Neptun" auch für uns die nächsten 6,6 km unser "Dollenorchester". Die Instrumente "Stemmbretter" und Rollschienen" setzten rhythmisch mit ein. Kurz vor Sichtung der Staustufe Leipheim bei Kilometer 2368,4 treibt ganz ruhig ein bekanntes Objekt: Die Ulmer Schachtel. Nochmals werden die Züge kräftiger. Die Ulmer Schachtel, die ebenfalls die Schleuse ansteuert, motiviert uns, sie zu überholen. "AHOI"-Rufe erklingen und bekannte Gesichter strahlen uns an.

Frank ist schneller aus dem Rhein und auf der Ulmer Schachtel, als wir seinen Ausstieg registrieren können und begrüßt die Damen der "Gesellschaft der Donaufreunde Ulm e. V.", die heute auf einer Ausfahrt bis zur Schleuse Günzburg unterwegs sind. Die Freude ist groß und noch größer, als die Ulmer Schachtel uns den Vortritt in die Schleuse gibt. Diese Freude wird nochmals getoppt, als Frank ein Tablett gefüllte Sektgläser und Gebäck für den Schleusenvorgang serviert, gesponsert von der Besatzung der Ulmer Schachtel. Ein herzliches Dankeschön an Nicole Huber & Co., die uns den trüben Blick auf die hohen, kahlen Schleusenmauern auf diese Art verschönerten.

Mit leeren Sektgläser in den Booten rudern wir erfrischt die nächsten 5,7 km weiter. Unser Bootsorchester hat nun auch Verstärkung durch die Sektgläser erhalten. Wir genießen die Einsamkeit auf der Donau. Nur ab und zu ein Radfahrer, Fußgänger oder Angler ist zu sehen, der sich zwischen den Bäumen einen sonnigen Platz ausgesucht hat.  Kilometer 2562,7 = Staustufe Günzburg. Halbzeit der Schleusen. Die Instrumente "Sektgläser" drapieren wir, wie vereinbart, auf der Schleusenmauer, damit sie die Besatzung der Ulmer Schachtel wieder aufnehmen kann.

Wir sind bereits ein eingespieltes Schleusenteam mit unseren Schleusern Jochen und Frank. Nachdem wir auch diese Staustufe munter passiert haben, lassen wir die Schleuse als Dankeschön für unsere Freunde der Ulmer Schachtel wieder auffluten und rudern gelassen dem Kilometer 2560,4 entgegen. Hier gibt es die ersehnte Mittagspause beim Günzburger Kanu-Club e. V. Dieser Verein wird gerne von den Ulmern Ruderern als Pausenstation oder Ziel bei Ruderausfahrten genutzt. Endlich aus dem Rollsitz raus; tut das gut! Die Sonne lacht, ein toller Pausenplatz, eine perfekte Mannschaft. Während ein Teil der Mannschaft sich um die Boote kümmert, stellen die anderen die Bierbänke und -tische auf, die wir hier benützen dürfen. Auch hier ein herzliches Dankeschön.

Mitglieder des Kanu-Clubs sitzen bereits gemütlich bei einem erfrischenden Getränk zusammen und beobachten das fleißige Tun der anderen, jüngeren Clubmitglieder. Frank hat eigens für uns einen Porzellanteller mitgenommen, auf dem er Schafskäse, Lachs und Baguette auftischt. Immer wieder ermahnt er uns, dass mit den Resten dieser Speise die Fische in der Donau verköstigt werden, sollte etwas übrig bleiben. Nach der Stärkung lädt der Rasen vom Kanu-Club zum Verweilen ein, andere genießen die Aussicht auf die beruhigende Donau, ehe Detlef das Kommando zum Aufbruch gibt. Zum Abschied werden die Donau-Fische leider enttäuscht, denn erfreuen darf sich der Hund eines Kanu-Club-Mitglieds an den Resten von Franks Teller.

Zweite Halbzeit. Markus und Olaf geben noch immer einen idealen Takt an. Von der Sonne begleitet erreichen wir knapp 6 km weiter die Staustufe Offingen, Kilometer 2556,4. Unsere Gedanken sind bei der sagenhaften Verpflegung bei der Staustufe Leipheim. Nur 4,5 km weiter erahnen wir bereits die Staustufe Gundelfingen. Das Donaubecken wird breiter, Wind kommt auf. Karge, dünne Baumstämme und Äste erheben sich mystisch aus der Donau. Nach kurzer Findungsphase über den Einstieg zur Bootsschleuse der Staustufe Gundelfingen, Kilometer 2551,9, geht’s in die Schleuse.

Ca. 5,5 m tiefer angekommen, mündet auf Steuerbord zuerst die Mindel, dann der Kühlwasserkanal des Atomkraftwerks Gundremmingen ein. Die unübersehbaren Landmarken, die beiden 160 m hohen Kühltürme des AKWs erheben sich immer wieder zwischen den Bäumen empor. Rasch erreichen wir - nun schon müder - nach 6,3 km die siebte und letzte Staustufe Faimingen bei Kilometer 2545,6. Nach der letzten Staustufe erwartet uns unser Ziel früher als geplant, der Lauinger Ruderclub bei Kilometer 2543,2, was noch 2,5 km sind. Kurz vor Lauingen mündet die Brenz in die Donau, die ersten Häuser von Lauingen sind zu sehen. Die Elisabethenstiftung erhebt sich majestätisch hervor. Unser Ziel ist nur noch ein paar Ruderschläge entfernt: Letzter Schlag - Ruder halt - Wir sind da! Die Uhr sagt 16.30 Uhr. Lauinger Ruderfreunde winken uns zu. Unsere Mission, die "Rhein" zur Begutachtung nach Lauingen zu befördern, ist erfüllt.

Kaum die "Rhein" sicher befestigt, kommt auch schon ein etwas älterer Verwandter von "Rhein" angerudert. Unsere Lauinger Ruderfreunde begrüßen uns herzlich in ihrem neu renoviertem Ruderclub. Ein kühles Bier/Radler ist jetzt genau das Richtige nach diesem Rudermarathon. Auf der Terrasse des Clubs genießen wir einen der letzten Sommertage bei herrlichem Sonnenschein. Kerstin, Detlef, Markus, Frank und Olaf gönnen sich noch ein sehr erfrischendes Bad in der Donau, ehe wir uns auf den Weg in unser Hotel Rose in der City von Lauingen aufmachen. Die Zimmer sind schnell bezogen. Ab unter die Dusche. Treffpunkt draußen im geschlossenen Biergarten, da heute Ruhetag ist. Jochen hält sein Versprechen, einen guten Wein mitzubringen. Mit den 3 Gläsern, die er noch der Hausherrin abschwatzen konnte, stoßen wir gemeinschaftlich auf die Herfahrt an, bevor wir uns zur Pizzeria Roma aufmachen. Markus, der bereits vorgegangen ist, wartet länger als angenommen auf uns. Bei einer Flasche guten Wein lässt es sich halt gut philosophieren.

Bei den lauen Temperaturen entscheiden wir uns, im von Wohnbebauung umzingelten Hof der Pizzeria unseren Platz auszuwählen. Schnell merkt die aufgeschlossene Bedienung, dass wir keine Lauinger sind. Warum, darüber können wir nur spekulieren. Kommen wir doch nur Luftlinie 37,2 km entfernt von hier her! Ein geselliger Abend, an dem wir lernen: a) dass Alkohol nicht nach LUX gemessen wird; b) dass Hans-Jörg großes Interesse an der Schiffsschraube von Jochens Schiff hat; c) dass unsere aufgeschlossene Bedienung einen herausfordernden Kommunikationspartner gefunden hat.

Sonntag, 31. August 2014
Sonntag, 31. August 2014, 8:00 Uhr, Frühstücksraum Hotel Rose in Lauingen, Teilnehmer: Ruderer komplett, Frühstück fehlt, Verfassung: unverändert, Wetter: hoffnungslos. Ungeduldig warten wir auf das Frühstück im traditionellen Frühstücksraum. Das Hotel hat wohl nicht damit gerechnet, dass wir Ulmer Ruderer pünktlich zum Frühstück erscheinen, denn wir sind einiges vor dem Frühstück da. Nach und nach wird das Frühstücksbüfett angerichtet, und schneller als aufgetischt wird, sind die Kaffeekannen und Platten auch schon wieder leer. Der Blick nach draußen auf die heutige Wetterlage wird durch das Ornamentfensterglas spannend gehalten. Auf dem Weg zum Lauinger Ruderclub bei bedecktem und leicht nieselndem Wetter wird kurz über die Möglichkeiten des weiteren Tagesverlauf diskutiert. Rudern oder gemütlich mit der Bahn zurück nach Ulm fahren. Detlef gibt die Entscheidung wortlos an.

"Neptun" und "Rhein" werden auf die vom Regen aufgepeitschte Donau getragen. Besatzung "Neptun": 1: Olaf, 2: Sabine, 3: Kerstin, 4: Jochen, Besatzung "Rhein": 1: Frank, 2: Anita, 3: Markus, 4: Detlef, 5: Hans-Jörg, Ziel: Ankommen am Ulmer Ruderclub.

Unser Motivationspegel ist genauso hoch wie die Wassersäulen unserer Regenjacken. Wozu Duschhauben eingesetzt werden können, lernen wir im Boot von Frank, der sich damit im Hotel ausgestattet hat: als Gamaschen! Mit Regen über Lauingen legen wir gegen 9:45 Uhr ab, flussaufwärts in Richtung Ulm. Jetzt kann das Wetter nur noch besser werden. Wie "besser" aussieht, erleben wir auf den abenteuerlichen 43,1 km bis zu unserem prognostizierten Ziel. Die 2,4 km bis zur ersten Staustufe Faimingen sind flott gerudert, der Regen unser ununterbrochener Begleiter. Für einige von uns eine neue Erfahrung, nach oben zu schleusen. Die "Rhein" fährt zuerst in die Schleuse. Unser Schleuser Jochen unterhält sich während des Schleusengangs amüsant mit einem Anglerpaar, das uns mental beisteht. Olaf beherrscht das Schleusenspiel mit dem entstehenden Wasserstrudel durch kraftvolles auf der Stelle rudern sicher. Wir anderen wenden uns hoffnungsvoll an Petrus, während die Boote von uns stabilisiert werden.

Bis zur Staustufe Gundelfingen in 6,3 km erleben wir ein ständiges Wechselspiel aus Wolkenbrüchen und sanften Regengüssen in unterschiedlicher Fallgeschwindigkeit. Das Verhältnis von Motivation und Wassersäule ändert sich: Wir sind bereits klatschnass! In der Staustufe ein kurzes Durchschnaufen, die Regenstärke geht für ein paar Augenblicke zurück. Weiterfahrt zur nächsten Staustufe, 4500m entfernt. Weitere Kontaktversuche mit Petrus werden unternommen. Ob bei lautem Bitten oder in stiller Meditation: Petrus hat kein Ohr für uns. Im Gegenteil: Immer wieder heftige aus Tonnen geschütteter Regen, der auf uns niederprasselt.

Ein dauernder Versuch - Schlag für Schlag - schneller zu sein als der Regen. Heute bleibt unser Bootsorchester still. Diesen Part hat das Regenorchester übernommen. Beim Einfahren in die Staustufe Offingen eine kurze Freude! Der Regen wird mäßiger! Und ehe wir die Freude genießen können, kommt wieder eine geballte Ladung von oben! In der Schleuse zwei dampfende Ruderboote: Wasserdampf, der aus unseren Kragenausschnitten aufsteigt. Weiterrudern, immer weiter! Kräftig und zügig! Die Versuche von Frank uns für den agilis-Schnellzug, der stündlich von Günzburg nach Ulm fährt, zu begeistern, findet kein Interesse. Nass sind wir sowieso schon, und nass Bahn fahren macht bestimmt keinen solchen Spaß wie nass zu rudern.

6,3 km bis zur Staustufe Günzburg. Wir philosophieren über die positiven Seiten des heutigen Dauerregen Ruderwetters: Es hätte ja auch 35° haben können, wir würden schwitzen und also auch nass werden. Wir würden Sonnenbrand bekommen, über dessen negative Auswirkungen ganz zu schweigen. Die Donau gehört uns jetzt ganz alleine, keiner kommt uns in die Quere, wir müssen uns nicht umsehen und niemand stört unseren Rhythmus. Wer geht schon bei einem solchen Hundewetter nach draußen geschweige denn aufs Wasser? Kein Hund setzt heute ein Bein vor die Tür. Nur einsame Angler, die von den 9 Ruderwilligen mit ihrem Dampfzug überrascht werden. Zur Nässe kommen Kälte, Hunger und Durst. Pausen gibt es nicht. Am gestrigen Pausenquartier rudern wir wehmütig vorbei. Sollen wir nicht doch aussteigen? Dieser Gedanke wird sofort verworfen. Der Regen lenkt unseren Blick auf das Wesentliche. Rudern, immer weiter, Schlag für Schlag, im Takt von Hans-Jörg und Jochen, die eine Schlagzahl von 22 Schlägen auf 200 m vorgeben. Wir rechnen von Kilometer zu Kilometer aus, wieviel Schläge wir noch in die Donau setzen dürfen. Unsere Boote durchbrechen die Regenmauern und die Staustufe Günzburg umschließt uns.

Staustufen-Halbzeit erreicht! Eine flotte Umziehpause. Eine ganz neue Erfahrung, sich bei strömenden Regen trockene Kleidung unter die nassen Regensachen anzuziehen. Zur Stärkung werden Ferrero-Küsschen verteilt. Und wieder rein ins nasse Boot und skullen, die Taktzahl behalten wir bei. Beständigkeit ist heute eine klare Stärke des Regens, aber auch unserer Motivation. Das Wetterspiel zwischen moderatem Regen, das unsere Phantasie schon als Sonnenschein empfindet, und Regen, der keinen Zwischenraum zwischen den einzelnen Tropfen mehr erkennen lässt, bleibt unser treuer und einziger Begleiter. Die drittletzte Staustufe Leipheim kommt immer näher. Inzwischen rudern wir gegen die Kälte, aber mit dem Regen. Unsere Hoffnung auf ein paar regenfreie Kilometer schwindet. Seit über 20 km begleitet er uns mit all seinen Charakterzügen. Unsere gegenseitige kreative Motivation lässt Gelassenheit in unser Boot einziehen. Was hätten wir auch sonst heute getan? Nur zu Hause das Sofa abgenützt!

Staustufe Leipheim. Erinnerungen an gestern kommen hoch. Die hier abgestellten Sektgläser wurden vermutlich von der Gesellschaft der Donaufreunde Ulm wieder eingesammelt. Die Schleusenzeit, bei der wir klappern vor Kälte und Nässe, verschönern wir uns mit kräftebringenden Küsschen von Ferrero. Die Sehnsucht nach Franks Keksdose macht sich breit. Diese ist allerdings regensicher verstaut. Oben angekommen, öffnet sich die Schleuse und auch der Himmel öffnet wieder seine Schleuse: Regentropfen in millionenfacher Ausfertigung prasseln geballt auf uns nieder! Nässe können wir keine mehr aufnehmen, das Maximum ist erreicht. Nur noch unsere Boote können die herunterpeitschenden Wassermassen aufnehmen. 6,6 km bis zur Staustufe Oberelchingen. Auch hier kommen die Erinnerungen an gestern wieder hoch. Schön war das unverhoffte Treffen in dieser Staustufe mit der Gesellschaft der Ulmer Schachtel.

Inzwischen wird der Aufwärtsgang kaum noch wahrgenommen. Alles läuft wie automatisiert ab: Jochen steigt aus dem Boot, öffnet die Schleuse, wir rudern routiniert ein, Olaf sorgt für eine ausgleichende Stabilität in der Schleuse, wir lassen uns vom Regen bewässern, nehmen Jochen wieder auf und rudern weiter unserem Ziel entgegen. Vor uns nur noch ca. 11 km und die letzte Staustufe, zu der es noch 6,5 km sind. Die ruhig gebliebene Donau tanzt im Einklang mit der unterschiedlichen Regenmassivität. Bei Kilometer 2576,3 verkündet uns Detlef: Nur noch 10 Kilometer! Fast kommt schon Melancholie auf: Nur noch 10 km, dann soll diese Abenteuerfahrt schon zu Ende sein? Der Regen hat wohl unseren Adrenalinspiegel nach oben gepeitscht. Unsere Steuerleute wechseln die Uferseite, wir rudern in die letzte Kurve vor der letzten Schleuse ein. Frank teilt uns hier mit, dass man nur kurz nach dieser langen Kurve die Staustufe Böfinger Halde bereits sehe.

Unsere Kräfte lassen nach, die Kälte empfinden wir als immer kälter, einzelne Gliedmaßen sind taub, das Sitzfleisch schreit nach Entlastung. Wir können es kaum erwarten, die Schleuse zu sehen und setzen mit allen noch vorhandenen Reserven Schlag für Schlag. Es kommt uns vor, als presse uns der Regen auf den Grund der Donau. Bald muss sie doch zu sehen sein. Die Kurve zieht und zieht sich, kein Ende auch nur annähernd in Sicht! Dass die lange Kurve extrem lang ist, das hat uns Frank verschwiegen. Er meinte dazu nur, er hätte uns ja gesagt, dass es sich um eine lange Kurve handelt! Die Züge schmerzen und der Regen kennt kein Pardon…

Endlich, wir sehen die Schleuse. Bald zu Hause! Mit letzter Kraft geht’s in die Schleuse. Ein paar Spaziergänger, die sich bei diesem Wetter doch aus dem Haus getraut haben, schauen uns zu. Die Kälte in der Schleuse ist kaum noch zu ertragen, wir zittern und klappern im Takt. Das bekannte Ruderrevier ist erreicht. Dieser Anblick motiviert uns. Mit aller Kraft stemmen wir uns gegen das Stemmbrett. Im perfekten Rhythmus gleiten die Skulls durchs Wasser. Die Boote im Adrenalinrausch, vorbei an der Friedrichsau, dem SSV-Gelände, Gänstorbrücke passiert. Die Adlerbastei lassen wir links liegen, das Bootshaus, bei dem unsere Augen kurz ein paar Grad nach links schwenken und sofort ein mahnender Ruf von Frank kommt: "Die Augen bleiben im Boot". Er spürt jeden schwachen Moment, motiviert und feuert uns an auf den letzten 5 km, das Tempo, den Takt und die Kräfte beizubehalten.

Man kommt sich vor, als wäre man bei einem Regattatraining. Herdbrücke durch, das Ulmer Donauplateau auf Steuerbord menschenleer. Getrieben von dem Drang schnellstens in den Ruderclub zu kommen und dem Regen doch noch zu entkommen, rudern wir, als wären wir eben erst frisch ins Boot gestiegen. Die Eisenbahnbrücke im rasenden Tempo durchquert, die letzten Ruderschläge stehen an. Kaum zu fassen, dass wir bereits über 38 km hinter uns hatten, als wir zu diesem Endspurt ansetzten.

Kilometer 2586,3 – letzter Schlag – Ruder halt – wir sind da. Nass, bis auf die Knochen aufgeweicht, durchgekühlt, ausgehungert, erschöpft, mit letzter Kraft ziehen wir uns aus den Booten, froh und glücklich.

Wir haben es geschafft! Durchgerudert, schneller als erwartet, in Rekordzeit, gegen 16.45 Uhr am Ziel angekommen. Und geregnet hat es heute auch nur 1x! Eine abenteuerliche, nicht alltägliche und harmonische Ausfahrt an zwei völlig unterschiedlichen Wettertagen ist zu Ende. Fazit: Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Stimmung. Und die war nicht mit an Bord oder Land. Danke an alle für diese einzigartige und tolle Ausfahrt. Als wir den Ruderclub verlassen, erwartet uns zum Schluss ein Geschenk: Der Himmel über uns öffnet sich, der Regen hat aufgehört, die Sonne dringt durch. Ein krönender Abschluss!

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